Zwischen den Welten


tagebuchblatt aus dem dorf von Mia Pelenco

Veröffentlicht in Mut & Liebe, Ausgabe Nr. 50

Nächtliche Spaziergänge durch das ruhige Dorf im Schein der Straßenlaternen und Spots auf Hausnummern inspirieren zu Zahlenspielen: Das ist also die 50. Ausgabe, bei einem Quartalsmagazin geteilt durch vier ergibt das dann 12,5 Jahre. Das Dorf feierte unlängst sein hundertfaches 12,5-jähriges Jubiläum. Die 1250 Jahre kann man hier quasi einatmen, zumindest geschichtlich nachspüren. Mut & Liebe hingegen ist Gegenwart und ständiger Begleiter, erklärt und spiegelt wider, informiert, und liebt ziemlich mutig auch die Kunst. Das Titelbild der Nr. 1 wirkte wie eine Initialzündung, und es entspann sich eine kongeniale Verbindung.

Die Sichtbarkeit der Kunst im Dorf entwickelte sich in seiner Bekanntheit und kontinuierlichen Entfaltung parallel zum Magazin, von Ausgabe zu Ausgabe. Menschen kamen und gingen, Inhalte wurden diskutiert, wo geht die Reise hin, wer macht mit und gestaltet weiter. Das alles klingt für Freischaffende, Schreibende, in Redaktion oder Kunstschaffende und Ehrenamtliche im Verein wohl sehr vertraut. Wer etwas in unserer Gesellschaft abbilden und aussagen möchte, muss reflektieren, sich neu ausrichten, die „Schraube Gegenwart“ immer neu justieren. Dafür braucht es motivierte Menschen, die frischen Wind spüren sollten. Denn ohne Aufwind lässt es sich schlecht fliegen, wo doch Höhenflüge so guttun, aber vor allem der damit verbundene Perspektivwechsel. Der Blick von oben auf das große Ganze, so wichtig. Heutzutage schnappt man sich dafür schnell mal eine Drohne, die das Abheben für den Menschen erledigt – genauso wie ChatGPT für uns das Recherchieren, Nachdenken und Schreiben übernimmt.

Die Menschen jedoch sind diejenigen, die miteinander kreieren und diskutieren, die sich Fragen stellen und gemeinsam Lösungen finden. Dafür braucht es Mutige, die in die Vereine nachrücken, dort mit Liebe zu dem, was man gemeinsam macht, seine eigene Wirklichkeit mitgestaltet!

Es gilt, die Aufmerksamkeit füreinander nicht zu verlieren, Strömungen im Leben und im Umfeld wahrzunehmen und sichtbar zu machen. Das ist vor allem die Aufgabe von Kunst & Kultur, diese Sensibilität abzubilden und Gesellschaftsthemen deutlich zu formulieren.

Manchmal braucht es einen Anlass, um über Umwege seine Welt zu erkennen. Im Mainbogen rasen die Radler von A nach Z täglich am Dorf vorbei! Pfeilschnell und ohne den Kopf zu heben, geschweige denn nach rechts oder links zu schauen. Und dann ist da plötzlich und unerwartet ein großes STOPP! In die Vollbremsung – und was nun? Die Maindammsanierung macht sich breit und stellt ein unüberwindbares Hindernis dar. Das bedeutet: den Kopf heben, die Schilder der Umleitung lesen, sich zurechtfinden durch das Dorf, wo ist man denn eigentlich, und dann weiter über den Innenhof des Schlosses, durch den Schlosspark. Die Radprofis in ihren engen Trikots wundern sich nur kurz, drehen eine Extrarunde um das Rondell im Innenhof, vielleicht um Schwung zu holen oder den Ärger weg zu strampeln, fahren nach dem Abchecken schnell weiter durch das neue Areal. Die aufmerksamen Radler allerdings erleben Abenteuer und Geschichtsbildung auf neuen Wegen. Da wird nun stehengeblieben und geschaut, die Hinweistafel gelesen. Und nicht selten ist zu hören: „Wie gut ist diese Umleitung! Sonst hätten wir das nicht gesehen, hier ist ja ein Schloss, hier ist ja ein Park, hier ist ja eine Kirche.“

Modern zu sein, bedeutet ja nicht, die alten Schlösser abzureißen, sondern die alten und neuen Welten miteinander zu verquicken. Wir haben im Dorf in unserer Kunst-Welt dieses historische Angebot aufgenommen: Zusätzlich zu den alljährlichen Kunsttagen loben wir den Kunst.Preis DIANA aus, der hochdotiert in der Schlosskirche im Schlosspark realisiert wird. Das ist nicht nur ein besonderer Ort für die Kunst, das ist auch der richtige Ort für das gemeinsame Gespräch, darüber und darüber hinaus. Mit allen geöffneten Türen zu unseren Kunst.Orten im kleinen Dorf wird der kulturpolitische Aspekt des Events besonders deutlich. Orte der Begegnung und des Gesprächs formen im direkten mitmenschlichen Austausch unsere Welt. Wie wir es gerade unmittelbar erleben, ist dieses Miteinander für ein gemeinsames Anliegen im großen Kontext möglich. Das bedeutet Sichtbarkeit, gemeinsam für eine Sache! Hier ist es eine Baustelle, die über Umwege zu einer neuen Wahrnehmung führt. Dort ist es ein Wort, ein ungehöriger Begriff, der gehört wurde und zum Aufstehen zwingt! Das müssen und können wir Menschen zusammen machen: absteigen und den Kopf heben, sich als Teil der kulturpolitischen und demokratischen Gesellschaft wahrnehmen und diese mitgestalten. Das erledigt keine KI für uns. Vielleicht in 1250 Jahren.